Meldung vom: | Verfasser/in: Sebastian Hollstein
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Im Herbst 2022 ging es als einer von zwei Gewinnern des Wettbewerbs „Wissen schafft Perspektiven für die Region!“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung des Freistaats Sachsen sowie des Landes Sachsen-Anhalt hervor – nun nimmt das „Center for the Transformation of Chemistry“ (CTC) in Delitzsch seine Arbeit auf. Einen signifikanten Anteil am Erfolg und an den nun folgenden ersten Schritten des neuen Forschungszentrums hat der Chemiker Prof. Dr. Ulrich S. Schubert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er sieht im CTC ein neues Gravitationszentrum, das weltweite Impulse aussenden und von dem der Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Mitteldeutschland enorm profitieren wird.
Ulrich S. Schubert ist seit Oktober 2021 Teil des Kernteams um den Sprecher Prof. Dr. Dr. h. c. Peter H. Seeberger vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, der die grundlegende Idee für die Bewerbung der Konzeptphase im Frühjahr 2021 einreichte. Für die ausgewählte Skizze erarbeitete, präsentierte und verteidigte Prof. Schubert dann zusammen mit Prof. Seeberger und weiteren Mitgliedern des Kernteams das Konzept des CTC. „Prof. Seeberger, die weiteren Mitglieder des Kernteams und ich sehen es als Aufgabe und Herausforderung für die Zukunft, Chemie neu zu denken und nachhaltiger zu machen. Das neue Zentrum ist dafür eine äußerst wirkmächtige Basis“, sagt Schubert. „Mir war es – nicht zuletzt als ein Vertreter der Wissenschaft in Mitteldeutschland – wichtig, hier meine Expertise einzubringen, die dringend notwendige Transformation der Chemie mitzugestalten.“
In einer Zeit, die von Energiekrisen und vom Klimawandel geprägt sei, seien Veränderungen nötig, sowohl bei den Rohstoffen als auch bei den Produktionsprozessen. Statt Gas und Öl zu verwenden, solle man auf Abfallprodukte aus der Natur als Basischemikalien setzen. Kohlenstoffdioxid sollte nicht mehr emittiert, sondern als Rohstoff genutzt werden. „Wir können nicht mehr Chemie wie vor 150 Jahren machen in Laboren, die im Prinzip immer noch so aussehen wie vor 75 Jahren“, sagt der Jenaer Chemiker. Vielmehr müssten verstärkt digitale Methoden – basierend etwa auf Künstlicher Intelligenz – Einzug halten in der chemischen Forschung und diese so effektiver und nachhaltiger machen.
Jenaer Schwerpunkte ins CTC eingebracht
Themenfelder wie dieses bringt Schubert auch als eigene Stärken in das CTC ein. So gilt er als Pionier auf dem Feld der automatisierten Hochdurchsatzforschung in den Polymerwissenschaften. Das heißt, statt ein Experiment nach dem anderen für die Forschung durchzuführen, verwendet er in seinem Jenaer Institut Roboter, um hunderte Versuche gleichzeitig ablaufen zu lassen. Das bringt sehr gut vergleichbare Daten hervor, die dann durch Künstliche Intelligenz ausgewertet werden. Daraus lassen sich – etwa bei der Entwicklung neuer Polymere – Trends ableiten, die Aussagen über Struktureigenschaftsbeziehungen zulassen. Die folgenden Experimente können Schubert und sein Team so effektiver gestalten. Das spart Energie, Rohstoffe und Zeit.
In weiteren Themenfeldern haben sich die Jenaer Chemikerinnen und Chemiker ebenfalls der Nachhaltigkeit verschrieben. „Wir bemühen uns beispielsweise um selbstheilende Materialien, damit Stoffe länger genutzt werden können, und wir versuchen, Materialien, die bisher nicht recycelt werden können, wiederverwendbar zu machen. Außerdem entwickeln wir Batterien, die einen niedrigen CO2-Fußabdruck haben, da keine Metalle enthalten sind“, informiert Schubert. „Das CTC bietet perfekte Voraussetzungen, um für all diese Bereiche technologische Grundlagen zu schaffen, die wir in Jena weiterführen können.“
Was passiert in den kommenden Monaten?
Im Januar beginnt die Projektphase und damit vor allem die Arbeit an der organisatorischen Basis des CTC. Prof. Seeberger wird eine Geschäftsstelle gründen, Strukturen aufbauen – eine Stiftung soll das Zentrum tragen – und Pläne für Neubauten und weitere infrastrukturelle Maßnahmen vorbereiten. Außerdem sollen erste Pilotprojekte starten, um die Forschung sofort aufzunehmen. „Diese Phase erfordert gründliche Konzepte, da es für dieses erste Zentrum seiner Art hierzulande keine Vorlagen zur Orientierung gibt“, erklärt der Jenaer Experte. Ab 2026, wenn die institutionelle Förderung startet, sollen in Delitzsch neue Gebäude entstehen und nach und nach etwa 1.000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit aufnehmen.
Schubert sieht in dem neuen Zentrum riesiges Potenzial für einen echten Strukturwandel, wie ihn die Bundesregierung anstrebt. „Die Region hat hier die Chance, stetig Innovationen hervorzubringen, dadurch die Ansiedlung größerer Unternehmen zu ermöglichen und sich somit an den Anfang einer neuen Wertschöpfungskette zu setzen. Hochqualifizierte Jobs mit entsprechender Bezahlung werden hier entstehen“, sagt er. „Das CTC kann eine Strahlkraft entfalten, von der Zentren wie Leipzig, Halle, Dresden oder Jena profitieren und die den historisch gewachsenen Chemiestandort Mitteldeutschland zu einem internationalen Innovationstreiber entwickeln.“ Teil des Zentrums sei deshalb auch eine Art „Manufaktur“, durch die Innovationen und Patente konsequent effizient und in allen Phasen kompetent betreut ausgegründet werden. So sickert die anvisierte Transformation der Chemie in die wirtschaftliche Praxis ein.